Gesellschaft Pressemitteilung

Über Bürgerrechte, Gleichbehandlung und Polizeigewalt

Der steinige Weg zur Gleichbehandlung – Black Lives Matter

Vor 155 Jahren, genauer gesagt am 18. Dezember 1865, wurde, mit Inkrafttreten des 13. Zusatzartikels zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerikas, die Sklaverei und Zwangsarbeit auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten endgültig abgeschafft.

Vorausgegangen war die Wahl des gemäßigten Sklavereigegners Abraham Lincoln zum 16. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die zum Austritt der Südstaaten und letztlich zum amerikanischen Bürgerkrieg geführt hat.

Drei Jahre später, am 28. Juli 1868, wurde den Afroamerikanern, mit der Ratifizierung des 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten, ihre Bürgerrechte formal zugesprochen. Weitere 2 Jahre darauf wurde ihnen mit dem 15. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten das Wahlrecht gewährt. Diese Zusatzartikel waren ein erster Schritt in Richtung einer Gleichbehandlung der schwarzen und weißen Bevölkerung in den USA. Doch die Situation der ehemaligen Slaven in den Südstaaten verbesserte sich nur während der Besatzung durch Unionstruppen. Nach Wiedereingliederung der Südstaaten in die Vereinigten Staaten von Amerika und dem Abzug der Unionstruppen, sorgten die „Black Codes“ und später die „Jim-Crow-Gesetze“ weiterhin für eine strikte Rassentrennung. Die Afro-Amerikaner wurden weiterhin als schlecht bezahlte Farmarbeiter beschäftigt. Auch das Wahlrecht wurde durch verschiedene Einschränkungen und durch die gewalttätigen Einschüchterungen schwarzer Wähler durch den 1865/66 gegründeten Ku-Klux-Klan quasi wieder entzogen. Die politische Repräsentation der Afro-Amerikaner kam zum Erliegen.

Erst im 20. Jahrhundert kam durch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung und ihre Vorläufiger wieder Bewegung in die Sache. Die 1914 von Marcus Garvey gegründete „Universal Negro Improvement Association (UNIA)“ förderte zum Beispiel eine Unabhängigkeit von den „weißen“ USA mit einer kollektiven Auswanderung nach Afrika. Den Ansatz der Gleichbehandlung von Schwarzen und Weißen verfolgte hingegen die „National Association for the Advancement of Colored People (NAACP)“. Zu einem großen Erfolg von NAACP wurde die Abschaffung der 24. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten („Großvater-Klausel“) in Maryland, die 1939 auf den Süden der USA ausgedehnt wurde und wieder mehr Afro-Amerikanern das Wahlrecht gewährte. Auch die „National Urban League (NUL)“ setze sich für Gleichbehandlung ein, indem sie sich für bessere Lebens- und Arbeitsbedingung für in den Norden abgewanderte Afro-Amerikaner einsetze.

Doch zu den bekanntesten Vertretern der amerikanischen Bürgerrechtsbewegungen zählen Rosa Parks, die infolge ihrer Festnahme, nachdem die sich geweigert hatte, ihren Sitzplatz in einem Bus in Montgomery, Alabama für einen Weißen zu räumen, den Bus-Boykott von Montgomery von 1955/56 auslöste, und natürlich Martin Luther King. Ein Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und bis heute unvergessen war Martin Luther King´s Rede „I have a dream“ 28. August 1963 während der „Marsch auf Washington“ Kundgebung vor 250.000 Menschen am Lincoln Memorial.

„… And so even though we face the difficulties of today and tomorrow, I still have a dream. It is a dream deeply rooted in the American dream.

I have a dream that one day this nation will rise up and live out the true meaning of its creed: „We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal …“

Martin Luther King

Mit dem Marsch auf Washington wollte King nochmals die Massen auf die Probleme der schwarzen Bevölkerung aufmerksam machen und konservative Politiker zum Umdenken anregen. Außerdem sollte die Gesetzesvorlage, der Civil Rights Act, die dem US-Kongress von Präsident John F. Kennedy am 19. Juni 1963 vorgelegt wurde, unterstützt werden. Allerdings durfte Kennedy, aufgrund seiner Ermordung am 22. November 1963, die Unterzeichnung des Civil Right Acts nicht mehr miterleben. Dennoch wurde der Civil Rights Act, der diskriminierende Wahltests und die Rassenstrenneng landesweit für illegal erklärte, am 2. Juli 1964 von Kennedy´s Amtsnachfolger Lyndon B. Johnson unterzeichnet – im Beisein von Martin Luther King, der noch im selben Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

Trotz der neuen Gesetze und Gerichtsurteile verbesserte sich die Situation der Afroamerikaner allerdings nur wenig. Mehr und mehr Anführer und Anhänger der Bürgerrechtsbewegung wurden bedroht oder bei diversen blutigen Anschlägen getötet. Dies führte zunächst zur Bildung eines radikalen Flügels innerhalb der Bürgerrechtsbewegung, der sich mehr und mehr von einem friedlichen Protest, wie Martin Luther King ihn immer gefordert und geführt hat, distanzierte. Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung zersplitterte in kleinere Bewegungen und Gruppierungen. Zu den bekanntesten dieser Gruppierungen zählten die „Black Muslims“ (oder auch Nation of Islam), mit ihrem charismatischen Anführer Malcolm X, die „Black Panther Party“, oder des „Student Nonviolent Coordinating Committee“ unter Stokely Carmichael. Carmichael prägte vor allem den Begriff „Black Power“, mit dem diese Organisationen den Spieß der Diskriminierungen umdrehten und die Schwarzen als von Gott auserwählte Rasse, die den Weißen überlegen ist, propagierten. Dies führte letztendlich zu einem Zerwürfnis mit Martin Luther King´s Bürgerrechtsbewegung. Sowohl Martin Luther King, als auch Malcolm X wurden noch in den sechziger Jahren bei Attentaten ermordet. Malcolm X wurde am 21. Februar 1965 von 3 Mitgliedern der Nation of Islam mit 21 Schüssen niedergestreckt, nachdem er zuvor mehrmals außereheliche Affären des Führers der „Nation of Islam“, Elijah Muhammad, öffentlich thematisiert hatte. Martin Luther King wurde am 4. April 1968 auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis von dem mehrfach vorbestraften Rassisten James Earl Ray erschossen.

Doch was hat sich heute, 155 Jahre nach Abschaffung der Sklaverei, knapp 60 Jahre nach dem Höhepunkt der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, an der Situation der Afroamerikaner geändert?

Die schwarze Gemeinschaft in den USA hat auf dem Weg zur Gleichstellung von Schwarzen und Weißen einen sehr steinigen Weg hinter sich, den auch viele Mitglieder mit ihrem Blut oder Leben bezahlt haben. Doch von einer Gleichstellung kann auch heute, im Jahr 2020, noch lange nicht die Rede sein.

So wurde zum Beispiel durch das Hamilton-Projekt der Brookings Institution herausgefunden, dass im Jahre 2010 der Anteil der Menschen, die unter der Armutsgrenze leben, genau dort am größten ist, wo auch der Anteil der Afro-Amerikaner im Vergleich zur restlichen Bevölkerung besonders hoch ist. Und das ist vor allem in den ehemaligen Südstaaten und den am dichtesten besiedelten Gebieten in den USA der Fall. (*Q1)

Laut der Umfrage “Race in America“, bei der vom 22. Januar bis 5. Februar 2019 erwachsene US-Amerikaner befragt wurden, haben 30 % der Befragten angegeben, es bringe einige Nachteile innerhalb der Gesellschaft mit sich, heutzutage schwarz zu sein in den USA. Weitere 25 % gaben an, es bringe sogar viele Nachteile. Auf der anderen Seite haben 21 % der Befragten angegeben, dass es einige Vorteile innerhalb der Gesellschaft bringt, weiß zu sein. Weitere 38 % gaben an, es bringe viele Vorteile mit sich, heutzutage weiß zu sein in den USA. (*Q2)

Allerdings wird die unterschiedliche Behandlung von schwarzen und weißen Bürgern in den USA am deutlichsten bei der Behandlung durch die Polizei. Polizeigewalt und Racial Profiling, also menschenrechtswidrige Polizeikontrollen, bei denen Menschen aufgrund der Hautfarbe, ethnischer Zugehörigkeit oder nationalen Herkunft kontrolliert werden und nicht anhand konkreter Verdachtsmomente, gehören in USA zum Tagesgeschäft. Mit dem Thema Racial Profiling beschäftigt sich auch die Studie „Threat and humiliation“ (Bedrohung und Erniedrigung), die von Amnesty International´s „U.S. Domestic Human Rights Program“ im September 2004 veröffentlicht wurde.
Daraus geht hervor, dass schätzungsweise 47 % der schwarzen Bevölkerung schon einmal Opfer von Racial Profiling geworden sind. Bei der weißen Bevölkerung sind es hingegen 3 %. Auch bei Festnahmen wegen Drogenmissbrauchs zeigt sich ein Unterschied, der eigentlich nur rassistisch motiviert entstehen kann:

71,30 % der Crack-Konsumenten in den USA sind Weiße, 17,70 % sind Schwarze. Doch bei den Festnahmen wegen Drogenmissbrauchs sind nur 5,70 % weiß und 84,20 % schwarz. In der Studie gibt es noch viele weitere Analysen und Auswertungen, die Racial Profiling beweisen und damit viele menschenrechtswidrige Aktionen der Polizei in den USA aufdecken. (*Q3)

Ein weiteres Problem ist rassistisch motivierte Polizeigewalt. Dabei ist der tragische Tod von George Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis – der sein Leben lassen musste, nachdem ein Polizist nach seiner Festnahme minutenlang auf seinem Nacken kniete, obwohl er immer wieder wegen Atemnot um Hilfe flehte – nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Der Fall löste bis heute andauernde, landesweite Proteste in den USA aus, die Erinnerungen an die Unruhen in Los Angeles 1992 wach werden lassen. Die Unruhen entstanden, als mehrere Polizisten wieder freigesprochen wurden, nachdem sie Rodney King mit Stockschlägen und Fußtritten brutal traktiert hatten und dafür angeklagt wurden.

Aber nicht nur in den USA gibt es Probleme mit willkürlichen Kontrollen ohne Verdachtsmomente, institutionellen Rassismus und Polizeigewalt, sondern zum Beispiel auch bei uns in Deutschland.

„Anlasslose Personenkontrollen allein aufgrund eines phänotypischen Erscheinungsbildes verstoßen gegen das Grundgesetz (Art. 3 Abs. 3 GG.), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie gegen das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und das in der internationalen Anti-Rassismus-Konvention angelegte Verbot der rassistischen Diskriminierung.“ Trotzdem „… sehen Artikel 22 und 23 des Bundespolizeigesetzes verdachts- und anlassunabhängige Personenkontrollen in Grenzräumen bis zu 30 Kilometer ins Landesinnere, an Flughäfen, in Zügen und an Bahnhöfen sowie auf Autobahnen zur Kontrolle und Verhinderung unerlaubter Einreisen vor“,

sagt Dr. des. Vanessa Eileen Thompson vom Institut für Soziologie der Goethe-Universität Frankfurt am Main in einem Artikel für die Bundeszentrale für politische Bildung. (*Q4)

Auch wenn das Thema Polizeigewalt bei uns in Deutschland noch nicht so präsent ist, wie in den USA, kann hierzulande nicht mehr von Einzelfällen die Rede sein. In dem Artikel „Polizeigewalt und Rassismus in Deutschland: Oury Jalloh war kein Einzelfall“ in der Frankfurter Rundschau werden z.B. 12 Fälle von unverhältnismäßiger Polizeigewalt und Todesfälle in Polizeigewahrsam der letzten Jahre aufgezählt. (*Q5)

Laut eines Berichts der ARD-Sendung Monitor wurden im Jahr 2017 deutschlandweit 2177 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen unverhältnismäßiger Polizeigewalt eingeleitet. 91 % der Fälle wurden wieder eingestellt, 7 % wurden abgegeben oder anderweitig erledigt und bei 2 % der Fälle kam es zur Anklage von Polizeibeamten. (*Q6)

Und es dürften in Zukunft deutlich mehr Fälle von Racial Profiling und Polizeigewalt geben, wenn die neuen Polizeigesetze der einzelnen Bundesländer erstmal alle in Kraft treten. So sieht beispielsweise das neue Landesverwaltungsgesetz für Schleswig-Holstein, das am 22.4.2020 vom Kabinett beschlossen und am 6. Mai 2020 im Landtag eingebracht wurde, vor, Polizisten mehr Spielraum beim Einsatz von Schusswaffen (finaler Rettungsschuss und Einsatz gegen Kinder) zu gewähren. Zukünftig soll es der Polizei auch erlaubt sein, so genannte Distanz-Elektro-Impulsgeräte (Taser), einzusetzen. Außerdem soll es mehr Befugnisse geben im Bereich Gefahren- und Kriminalprävention, also eine vorbeugende Bekämpfung von Straftaten, und im Bereich der Überwachung (Einsatz von Bodycams) etc.. Eine Auflistung der geplanten Änderungen am Landesverwaltungsgesetz kann man auf der Seite des schleswig-holsteinischen NoPolgSH-Bündnisses finden, an dem auch wir, die Piratenpartei Schleswig-Holstein, maßgeblich beteiligt sind. (https://polizeigesetz-sh.de)

Zum Schluss bleibt nur noch die Hoffnung, dass die Menschen in den USA die Schatten des amerikanischen Bürgerkrieges irgendwann hinter sich lassen und alle Menschen auf der Welt, unabhängig von ihrer Hautfarbe oder ihrer ethnischen Herkunft, unabhängig von ihren politischen Einstellungen, ihrer Religionszugehörigkeit, aber auch unabhängig von ihrem Geschlecht, Gesundheitszustand oder ihrer sexuellen Orientierung, die gleichen Chancen bekommen.

Dafür werden wir weiterhin kämpfen!

Q1 – https://www.brookings.edu/blog/up-front/2019/02/15/how-racial-and-regional-inequality-affect-economic-opportunity/

Q2 – https://www.pewsocialtrends.org/2019/04/09/views-of-racial-inequality/psdt_04-09-19_race-02-10/ 21.

Q3 – https://www.amnestyusa.org/pdfs/rp_report.pdf

Q4 – https://www.bpb.de/gesellschaft/migration/kurzdossiers/308350/racial-profiling-institutioneller-rassismus-und-interventionsmoeglichkeiten

Q5 – https://www.fr.de/panorama/rassismus-rassistische-polizeigewalt-deutschland-george-floyd-oury-jalloh-kein-einzelfall-zr-13788792.html

Q6 – https://www.youtube.com/watch?v=jiylYN6oBOs