Bildung Gesundheit

Piraten diskutieren über Coronapolitik und Impfpflicht

Pflegekraft die Erdkugel in Händen schweben lässt

Die Corona-Pandemie hat unser politisches Wirken der letzten zwei Jahre stets beschäftigt und beeinflusst. Auch wenn es für den Einen oder Anderen überraschend war, dass wir PIRATEN der AG Gesundheit und Pflege viele einschränkende Maßnahmen zur Coronabekämpfung der letzten zwei Jahre aktiv unterstützt haben, so liegt das an der Affinität der PIRATEN zu wissenschaftlich fundierter, evidenzbasierter Politik und dem gleichzeitigen sozialen Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Schwächsten in unserer Gesellschaft, die unseren besonderen Schutz während einer solchen Krise benötigen. So hat die AG Gesundheit und Pflege die Corona-Pandemie, zusammen mit vielen weiteren Arbeitsgemeinschaften, die letzten zwei Jahre politisch mahnend als auch kritisch verfolgt. ​​​​​​​

Hintergrund:
Aufgrund der anstehenden allgemeinen Debatte in der Gesellschaft sowie der Bundestagsdebatte zu einer Impfpflicht hatte der Vorstand der Piratenpartei am 08.12.2021 zu einem Diskussions-Abend eingeladen zum Thema: „Corona, 4. Welle und wie die Piraten damit umgehen würden“ .
Als AG Gesundheit und Pflege waren wir ein wenig von dem Titel überrascht, da der Umgang mit einer Pandemie ja nicht ideologischer Natur ist, sondern letztlich nur das Übernehmen von wissenschaftlichen Erkenntnissen einen Weg aus der Pandemie heraus zeigen kann. Aber natürlich haben wir uns auf den Diskurs eingelassen, denn über die Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen kann man natürlich politisch streiten. 
Die AG Gesundheit und Pflege unterstützt das Ergreifen von allen Maßnahmen, die evident das Infektionsgeschehen reduzieren, die Gesundheit der Menschen schützen und das Gesundheitssystem entlasten. Insbesondere Maskenpflichten in allen Innenräumen [1][2][3], Kontaktbeschränkungen und die Impfung der gesamten Bevölkerung sehen wir als Schlüssel zur wirksamen Eindämmung der Pandemie an. Je nach Infektionsgeschehen kann das bis hin zu einem erneuten Herunterfahren des öffentlichen Lebens und Schließung weiter Teile des Einzelhandels und der Gastronomie, wie es in unseren Nachbarländern gerade wieder erfolgt, führen. 
Bei Hochwasser würde man erst gar nicht die Frage stellen, ob man überschwemmte Bereiche absperrt oder gar Geschäfte schließen muss, weil man die Gefahr konkret vor Augen sieht. Bei einer durch ein Virus bedingten Pandemie hingegen fangen Menschen oft an, zu relativieren. Die Gefahr ist so unsichtbar und so fern, sie ist im Krankenhaus und drückt sich nur in Berichterstattung und Zahlen aus. Wohl auch deswegen wird gegenüber den im Bereich der Gesundheitspolitik aktiven PIRATEN immer der Vorwurf geäußert, dass sie übertreiben würden. Wir können Euch mitteilen, wir übertreiben nicht!
Als Partei, die sich seit ihrer Gründung für die Grundrechte der Menschen einsetzt und gleichzeitig wissenschaftliche, evidenzbasierte Politik verfolgt, hätte die Pandemie rasant zur Zerreißprobe werden können. Aber wir haben die Gratwanderung immer wieder geschafft und einen Konsens gefunden, von der Ablehnung von Ausgangssperren [4.1][4.2], zur Befürwortung der Aussetzung der Präsenzpflichten in der Schule [4.1][4.2][4.3], bis hin zur Verfolgung einer konsequenten Niedriginzidenz-Strategie [5]. Auch Angebote zum Umgang mit den Belastungen der Corona-Eindämmungsmaßnahmen gab es seitens der PIRATEN zahlreiche. Von Möglichkeiten der Digitalisierung, um Homeoffice zu erleichtern [6.1][6.2], über den Umgang mit dem Datenschutz [7.1][7.2] bis zu einem Grundeinkommen für alle [8.1][8.2] [8.3], um soziale Missstände abzufedern [9.1][9.2]. Der Forderung der Patentfreigaben zur schnelleren weltweiten Impfstoffherstellung [10.1][10.2] bis zum gleichzeitigen Ausbau der Forschungsförderung [11.1] und der Modernisierung des Bildungswesens [12.1][12.2][12.3], hauptsächlich mittels Digitalisierung [13.1][13.2][13.3]. Und nicht zu vergessen, die Themen der AG Gesundheit und Pflege zum notwendigen Umbau des Gesundheitswesens [14] und der Stärkung der Pflege [15.1][15.2]. Viele Themen, die wir aktiv im Zusammenhang mit Corona in den letzten zwei Jahren vorangetrieben haben, ohne die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Mitmenschen haben, zu vergessen und gleichzeitig den liberalen Strömungen gerecht zu werden.
Nun scheiden sich erneut die Geister bei den PIRATEN wie auch in der gesamten Gesellschaft an der Impfpflicht. Daher lud der Bundesvorstand zur Debatte der Basis ein.  Wir wollen auch mit Euch in den Diskurs eintreten und appellieren an alle, auch dieses Mal im Geiste einer sozialliberalen Strömung zu denken und nicht nur die Freiheitsrechte zu sehen, sondern auch die Verantwortung von uns allen unseren Mitmenschen gegenüber.
Im Folgenden wollen wir Euch eine Chronologie des Scheiterns der bisherigen Coronapolitik der Bundesregierung, kommentiert durch unsere Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege Sandra Leurs, aufzeigen. 
Chronik der Pandemie
Laut Forschungen der Kent University traten die ersten Fälle von Covid-19 schon im November 2019 in China auf [16]. Es gibt Anhaltspunkte, dass auch in Europa bereits Ende des Jahres 2019 eine leichte Ausbreitung erfolgte [17]. Die weltweite Ausbreitung des Virus begann also bereits vor Januar 2020 [18].
Dazu Sandra Leurs, Themenbeauftragte Gesundheit & Pflege der Piratenpartei

  • „Mit der Warnung der WHO über ein neuartiges Virus im Januar traten mein Ehemann und ich den persönlichen Lockdown an. Einkaufen nur noch mit einem Mund- und Nasenschutz, so wenige soziale Kontakte wie nur möglich.“

Januar – Februar 2020: Wie alles begann
Deutschland lag da noch tief im Dornröschenschlaf. Der erste Fall einer Infektion mit dem neuen Coronavirus in Deutschland wurde am 27. Januar 2020 nachgewiesen: Ein 33 Jahre alter Mann hatte sich beim Autozulieferer Webasto bei einer aus China angereisten Kollegin angesteckt [19]. Er blieb nicht der Einzige. Obwohl die ersten Covid-19-Infektionen in Deutschland bestätigt wurden und es zu ersten kleineren Ausbrüchen kam, handelte das Bundesgesundheitsministerium noch nicht. Trotz des Wissens, dass es sich nicht um eine normale Grippe handelte, fanden in Europa noch alle Events und Fasching unbeschränkt statt. Gleichzeitig verbreitete sich das Virus in China, Italien (X-I) und dem Iran rasant, aber die Pandemie war schon längst weltweit gestartet. Erst März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ​​​​​​​die Lungenerkrankung Covid-19 als Folge einer SARS-CoV-2 Infektion zu einer weltweiten Pandemie [20].
Am 8. März 2020 stirbt der erste Deutsche an den Folgen von COVID-19. Zwei Tage später werden in allen 16 Bundesländern Infektionen festgestellt. Die Kreisstadt Heinsberg in Nordrhein-Westfalen wird nach einer Karnevalsfeier im Februar [21] einer der ersten großen Corona-Hotspots in Deutschland. Die Bundesregierung spricht eine weltweite Reisewarnung aus, verbietet Bürgern aus Nicht-EU-Staaten die Einreise und kündigt eine „Luftbrücke“ für im Ausland gestrandete Deutsche an.
Die EU reagierte ebenso mit Sofortprogrammen, die von Falschmeldungen überschattet wurden. Bereits zu dem Zeitpunkt haben wir PIRATEN die Gefahr der zunehmenden Fehlinformationen gesehen. In Reaktion auf die Pandemie haben PIRATEN gleichzeitig die Versorgung aller Haushalte mit digitaler Infrastruktur gefordert, damit Menschen von zu Hause aus Arbeiten und Lernen können [22].
Innerhalb kurzer Zeit registrierten weltweit alle Gesundheitssysteme einen rasanten Anstieg an  Hospitalisierungen von SARS-CoV-2-Patienten. Die durch die Infektion mit dem Virus verursachte Erkrankung mit Covid -19 verlief für viele Patienten leider auch tödlich.


22. März – Mai 2020: Das gesellschaftliche Leben kommt zum Erliegen
Kurze Zeit später, am 22. März 2020, trat der erste „Lockdown“ in Kraft [23], mit zahlreichen Einschränkungen im öffentlichen Leben. Restaurants und Kinos wurden geschlossen, ebenso Schulen und Kitas. Der Flugverkehr stand fast weltweit still und die Menschen blieben zu Hause. Besuche in Alters- und Pflegeheimen wurden verboten und schwerkranke oder sterbende Menschen konnten in Pflegeheimen und Krankenhäusern nicht mehr von ihren Angehörigen begleitet werden. Viele Arbeitnehmende waren das erste Mal in ihrem Leben mit Homeoffice konfrontiert und mussten gleichzeitig ihre Kinder betreuen. Gerade Familien hat der erste Lockdown viel abverlangt. Die Wirtschaft stand fast komplett still. Außer dem Lebensmittelhandel, Apotheken, Drogerien war alles geschlossen. Man sprach das erste Mal täglich von systemrelevanten Berufen und insbesondere von der Pflege. Menschen fingen an, den im Gesundheitswesen tätigen Beschäftigen jeden Abend Beifall zu zollen. In diesem Zusammenhang forderten wir PIRATEN zum Applaus eine Erhöhung der Vergütung und eine bessere Ausstattung der Pflegekräfte [24].
Die Anstrengungen und Maßnahmen zeigten Wirkung, die Infektionszahlen blieben stabil und der Aufruf „Flatten-the-Curve“ hallte durch alle Flure. Die Bevölkerung half sich gegenseitig, und die Akzeptanz war hoch.
Juni – August 2020: Ein Sommer der naiven Sorglosigkeit
Im Sommer 2020 sanken die Infektionszahlen. Sorglosigkeit hielt Einzug in der Bevölkerung. Das Gesundheitssystem konnte einen kurzen Moment aufatmen. In manchen Bundesländern setzten Ministerpräsidenten auf rasche Lockerungen. Die Politik wollte so schnell wie möglich wieder Normalität einkehren lassen. Schritt für Schritt öffneten Schulen, Restaurants nahmen den Betrieb unter Auflagen auf, die Wirtschaft lief wieder an. Am 16. Juni geht die Corona-Warn-App der Bundesregierung an den Start. Auch wir PIRATEN überprüften die Corona-WARN-APP kritisch und waren von ihrer datensparsamen und dem gleichzeitig effektiven und schnellen Warnsystem schnell überzeugt [25].
Die Proteste gegen die noch bestehende Corona-Beschränkungen wurden derweil lauter. Die Pandemie hatte durch die wirksamen Maßnahmen ihren ersten Schrecken verloren. Gruppierungen, die sich als „Querdenker“ bezeichneten, protestierten gegen noch bestehende Maßnahmen, wie das Maskentragen über Mund und Nase zur weiteren Eindämmung der Pandemie, und leugneten die Gefährlichkeit des Viruses. 
Sandra Leurs merkt an:

  • „Mein Team in der AG Gesundheit und Pflege mahnte auch im Sommer 2020 schon zur Vorsicht und hing mit den Ohren und Augen an Wissenschaftlern und ihren Berichten und Ausarbeitungen. Wir schlugen Luftfilter für die Schulen vor und unsere Sorge war auf den Winter gerichtet. Denn wir befürchteten, dass die Pandemie noch lange nicht vorbei sein wird. Mit Vehemenz stellten wir uns damals wie heute täglich den von Corona-Leugnern verbreiteten Verschwörungstheorien. Die Stimme der Wissenschaft wird nicht immer gehört, manchmal sogar verhöhnt.

Im Sommer 2020 war die Bevölkerung und die Politik zu sorglos. Alles war – mit Abstand zu Menschen und mit Mund- und Nasenschutz – wieder möglich. Die AG Gesundheit und Pflege forderte derweil bereits ein  bundesweit einheitliches Vorgehen bei den Coronatestungen. Denn eines stand für mein Team und mich fest: Überwunden oder gar ausgemerzt war das Coronavirus in Deutschland noch lange nicht [26].
Die Forschung nach einem Impfstoff lief auf Hochtouren. Insbesondere die neue mRNA-Technologie ließ schnell die Entwicklung eines Impfstoffes basierend auf dem SARS-CoV-2 Spike-Protein zu. Und versprach, sich auch relativ leicht an Mutationen anpassen zu lassen. 
Die Politik versprach fälschlicherweise ohne wissenschaftlichen Beleg ein rasches Ende der Pandemie, sobald der Impfstoff vorhanden wäre. So öffneten nach den Sommerferien die Schulen ohne richtige Hygienekonzepte und ohne Maskenpflichten. Wir von der AG Gesundheit und Pflege kritisierten diese Konzeptionslosigkeit direkt und warnten weiterhin vor einer Sorglosigkeit in den Schulen, auch wenn uns einige deswegen belächelten.[27]

September – November 2020: Zweite Corona-Welle 
Währenddessen verbreitete sich das Virus schnell und massiv weiter auf dem Erdball. Maßnahmen erfolgten kaum. Schulen und der Einzelhandel blieben offen. Dabei hätte man diese Chance gerade im schulischen Bereich nutzen können, um frühzeitig auf einen Wechsel- und digitalen Unterricht umzusteigen, um Infektionsketten frühzeitig zu brechen [28].
Im Spätherbst tauchten erste Mutationen auf, die noch ansteckender waren. In der Folge stiegen im Dezember 2020 die Infektionszahlen in sechsstellige Höhen. Die Politik handelte träge und beachtete unter Eindruck der guten Entwicklung im Frühjahr 2020 die Gefährlichkeit der exponentiellen Ausbreitung des Viruses nicht. Ein Lockdown light wurde viel zu spät ausgerufen und Kontakte wurden auf zwei Haushalte begrenzt, Gastronomie und Tourismusbranche mussten wieder schließen wie im Frühjahr. Aber die Wirtschaft lief weiter, vorerst blieben auch die Schulen geöffnet. Unter PIRATEN wurde der Ruf nach Distanz- und hybridem Unterricht für die Schulen und der Aussetzung der Präsenzpflicht in der Schule immer lauter [29].
Die Ankündigung des Impfstoffes mit neuer mRNA-Technologie brachte im Herbst nicht nur ein kurzes Aufatmen hervor, sondern es traten neben den Gegnern von Maßnahmen zur Eindämmung von Corona auch die  Impfgegner  mehr in Erscheinung. Geschürt von den Protesten als auch vielen Falschinformationen nahm die Angst vor den neuen Impfstoffen innerhalb verschiedener Bevölkerungsteile zu [30]. Unter anderem, weil die Dauer der klinischen Studien, aufgrund der parallel laufenden Studienschritte und größeren Probandengruppen, wesentlich kürzer war, als sonst üblich. Schon bevor der Impfstoff in der EU zugelassen war, kursierten Verschwörungstheorien, die in den sozialen Medien wie ein Lauffeuer verbreitet wurden.  Dadurch wurde die Skepsis vor den Impfstoffen und vor ihrem in Verkehr bringen stark befeuert. Die Kommunikation der Politik war widersprüchlich und nicht klar. Um die Verschwörungstheorien abzuschwächen, schloss man auch direkt frühzeitig eine Impfpflicht oder -obliegenheit generell aus.
Der erhoffte „Wellenbrecher-Effekt“ des Lockdown Light blieb aus. Man hatte den Sommer verpasst, sich auf den Winter 2020/21 vorzubereiten. Gleichzeitig scheiterte die gemeinsame Impfstoffbeschaffung durch die EU. Bis heute sind die Vorgänge nicht aufgeklärt, als auch die Vereinbarungen mit den verschiedenen Impfstoff-Herstellern nicht transparent. Die Welt impfte bereits, als wir anfingen, Impfzentren einzurichten.

Dezember 2020 – Februar 2021: Start der Impfkampagne
Die Impfung besonders gefährdeter Gruppen (Menschen in fortgeschrittenem Alter und Menschen mit Vorerkrankungen) wurde gestartet. Es folgten Wochen des Chaos in der Organisation und Kommunikation. Viele Impfwillige mussten Stunden warten, um überhaupt einen Termin zu ergattern und so manch einer gab sogar ganz auf. Gleichzeitig kamen erste Gerüchte auf, dass die Impfstoffe Nebenwirkungen hätten. Die Kommunikation entglitt. Vorfälle, die im Kontext des Impfstoffes „Astra Zeneca“  standen, wurden pauschal auf alle Impfstoffe übertragen [31]. Die Impfskepsis in der noch auf den Impftermin wartenden Bevölkerung konnte damit genährt werden.
Für Kinder musste der Impfstoff noch getestet werden. Zu dieser Zeit herrschte auch die allgemeine Meinung, dass Kinder sich zwar infizieren können, aber nicht schwer erkranken würden. Diese erste Erkenntnis war trügerisch. Denn schon bald erfolgten die ersten Berichte von genesenen Patienten, die Langzeit-Symptome beschrieben. Diese Symptome bezeichnete man im folgenden „Long Covid“.
Dazu kommentiert Sandra Leurs,

  • „Deutschland galt schon seinerzeit nicht als Erfolgsbeispiel der Virusbekämpfung. Längst war von einer dritten Corona-Welle die Rede. Unser Gesundheitssystem drohte zu versagen, Krankenhäuser mussten wegen der vielen Coronapatienten in den Intensivstationen planbare Operationen zurückfahren, Behandlungen aussetzen – man kann hierbei auch von einer stillen Triage sprechen, die weitere Leben kosten würde. Jetzt landeten auch gehäuft jüngere Menschen auf Intensivstationen mit schweren und lang andauernden Behandlungen, wie Beatmung und Ähnlichem. Auch gestorben wurde in jüngeren Altersgruppen.“

Im Januar 2021 verkündete die Bundesregierung einen harten „Lockdown“ [32]. Die Einschränkungen wurden noch einmal verschärft und später mehrfach verlängert. Die Demonstrationen gegen die Maßnahmen und die Impfungen wurden lauter. Die Menschen sahen ihre Freiheit in Gefahr und vergaßen die Verantwortung, die sie auch gegenüber ihrer Familie, ihren Mitmenschen haben. Die Gesundheit all derer zu schützen, die ihre Hilfe benötigten.
Dabei waren die im Infektionsschutzgesetz beschlossenen Maßnahmen [33], die die Bundesregierung traf, wichtig, aber keinesfalls ausreichend, um die epidemische Lage in den Griff zu bekommen. Eine Wirkung zeigte der Lockdown nur langsam. Erst zum Sommer 2021 sanken die Zahlen. Die dritte Pandemie-Welle schien gebrochen zu sein und im Lichte des Bundestagswahlkampfes verschwand Corona aus der Diskussion und aus den Medien. Die Politik konzentrierte sich auf den Machtgewinn und Machterhalt im Bundestag. Man sprach nicht über die Bedrohungslage für den kommenden Winter. Es gab ja eine Impfung und man sprach von einer neuen Normalität. Das Leben sollte den Sommer über wieder wie vor der Pandemie werden.
Fatal, wie sich später herausstellte. 
Das Robert Koch-Institut als nationale Gesundheitsbehörde wies darauf hin, dass sich die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus, die zuerst in Indien festgestellt wurde, sich auch in Deutschland ausbreite. Sie galt nach Experten-Meinung als ansteckender als die bisherigen Virus-Mutationen. Seitens der Virologen und Epidemiologen wurde immer wieder gefordert, dass mehr Fokus auf die Impfkampagne gelegt werden müsse, da nur bei Erreichen einer sehr hohen Impfquote eine Entspannung im nächsten Corona Winter erfolgen könne. Aber es war ja Bundestagswahlkampf und man sprach nicht mehr von der Impfung. Beflügelt von den Protesten gründeten sich neue Parteien, die sich gegen jedwede Maßnahmen, sei es Maskentragen oder gar die Notwendigkeit von Impfungen, aussprachen. Statt einer ganz massiven Impfkampagne durch die Regierung und das Treffen von Vorbereitungen für den nächsten Coronawinter, trat man in eine Debatte um den Wettbewerb ein, welches Bundesland die meisten Maßnahmen aufhebt. Sogar die sehr wirksamen Maskenpflichten wurden im Lichte des Bundestagswahlkampfes ausgesetzt.
Und noch immer schloss man eine Impfpflicht kategorisch aus. Politische Vertreter erklärten auf Wahlkampfveranstaltungen sogar, dass sich niemand Impfen müsse, der nicht wolle, statt auf die Notwendigkeit der Impfung hinzuweisen.
Die Impfkampagne kam im Sommer 2021 ins Stocken, gefolgt von der Schließung der Impfzentren im Herbst 2021. Sandra Leurs kommentiert:

  • „Impfgegner wurden laut und schlossen sich den Querdenkern an. Viele ließen sich nicht auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse rund um die Pandemie beziehungsweise der Impfkampagne ein. Viele behaupteten einfach das Gegenteil, ohne wissenschaftliche Quellen.“

Nun sitzen wir in der vierten Welle mit vorherrschender Delta-Variante. Und weil so viele Menschen auf der Welt infiziert sind, kann sich das Virus weiterhin verändern und neue Mutationen hervorbringen. Der Tsunami der Omikron-Variante wird nicht länger auf sich warten lassen und massiv zuschlagen.
Allein in Deutschland sind bis heute über 100.000 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben, weltweit sind 5.4 Millionen Menschen Corona zum Opfer gefallen.

Stellungnahme
Die Veranstaltung im Dicken Engel habe ich mit großem Interesse verfolgt und es war schön zu hören, wie viele Menschen in der Piratenpartei Zeit und Energie investieren, um Lösungen und Wege aus der Pandemie zu finden. Dabei war es zwar erschreckend zu hören, dass zwei bis drei der rund 60 Mitdiskutanten noch immer falsche Mythen über Corona reproduzierten oder die absolute Freiheit des Einzelnen vor das Leben und die Gesundheit der Gemeinschaft stellen, aber im Großen und Ganzen kam eine gute Diskussionsrunde zustande. Meinem Empfinden nach trägt die Mehrheit der bei der Diskussionsrunde Anwesenden den Kurs der AG Gesundheit und Pflege mit. Wir müssen handeln, egal wo und wann Fehler bei Entscheidungen in der Pandemie oder im Gesundheitssystem von vergangenen Regierungen gemacht wurden. 
Das Gesundheitssystem ist weiterhin enorm belastet. Vor allem Notfallambulanzen, Intensivstationen, Intensivpflegekräfte sowie Mediziner stehen vor dem Zusammenbruch – das ist unser Gesundheitssystem! Wir haben nur das Eine. Lasst nicht zu, dass noch mehr Menschen den Pflegeberuf verlassen oder gar nicht erst ergreifen. Wir können die Versäumnisse der letzten 20 Jahre im Gesundheitssystem nun nicht sofort nachholen, aber wir können dazu aufrufen, das Gesundheitssystem so weit wie es geht zu entlasten, damit eine Reform noch möglich erscheint. Dazu müssen wir uns alle einschränken, Kontakte reduzieren und uns impfen lassen. Die nächsten Jahre werden uns die Spätfolgen der Erkrankten mit „Long Covid“ beschäftigen. Es werden in Zukunft mehr Rehabilitationskuren benötigt, weil das Krankheitsbild bis zur Pflegebedürftigkeit führen kann. Auch unser Rentensystem könnte durch vermehrt erwerbsgeminderte oder erwerbsunfähige Anspruchsberechtigte weiter belastet werden. Lasst uns versuchen, die Infektionsrisiken in der Gesellschaft auf ein Minimum zu beschränken, damit die Folgen von Corona die bereits belasteten Gesundheits- und Rentenkassen nicht gänzlich sprengen werden. Sandra Leurs resümiert:

  • „Ich als Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege sowie mein Team werden weiter die Ohren und Augen offen halten. Und auch den wissenschaftlichen Experten folgen und die Informationen an die Mitglieder der Piratenpartei weiter tragen. Jetzt ist es an der Zeit, endlich die Kinder zu schützen, die Omikron-Variante droht Kinder stärker zu schädigen. Auch LongCovid bei Kids ist eine Gefahr nicht nur für Einzelne, sondern für das Funktionieren unserer zukünftigen Gesellschaft. Die Pandemie schadet allen. Körper, Geist und Seele leiden bei Jung und Alt. Wenn man das Leiden von Menschen in einer Pandemie eindämmen will, muss man auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen folgen und sie gut umsetzen.
  • Ich als Pflegefachkraft bin auch dazu verpflichtet, Menschenleben zu retten und zu erhalten, und so wird auch meine Politik gestaltet: Immer den Menschen zugewandt. 
  • Ich bin dem World Health Network beigetreten, weil ich eingesehen habe, dass die Pandemie global bekämpft werden muss. Es gibt ein fertig ausgearbeitetes Strategiepapier des Netzwerkes, welches ich hier verlinke [34].
  • So wird auch die Politik der AG Gesundheit und Pflege weiter gestaltet.“ 

Wir wollen an Euch appellieren, auch bei einer Beurteilung einer etwaigen Impfpflicht im Geiste einer sozialliberalen Strömung zu denken und nicht nur die eigenen Freiheitsrechte zu sehen, sondern auch die Verantwortung, die wir alle unseren Mitmenschen gegenüber tragen. Es gibt kein individuelles Entkommen aus einer Pandemie. Hier müssen wir gemeinschaftlich handeln und jeder ist gefragt, seinen Beitrag zu leisten. 

[1] https://piraten-nds.de/2021/10/29/forderung-nach-kompletter-beibehaltung-der-maskenpflicht-an-schulen/
[2]​​​​​​​ https://www.piratenpartei-nrw.de/2021/10/27/piraten-kritisieren-plaene-zur-fallenden-maskenpflicht-an-schulen/
[3] ​​​​​​​https://landesportal.piratenpartei-sh.de/2021/11/piraten-verurteilen-aufhebung-der-maskenpflicht-im-unterricht/
[4.1] https://www.piratenpartei.de/2021/04/15/ausgangssperren-nicht-zielfuehrend-piraten-fehlen-laengerfristige-plaene/
[4.2] https://piraten-nds.de/2021/03/26/ausgangssperren-sind-augenwischerei/
[4.1] https://piraten-nds.de/2020/11/13/regulaeres-homeschooling-zum-regelfall-machen/
[4.2] https://piratenpartei-bayern.de/2021/01/08/schulkonzepte-fehlanzeige/
[4.3] https://piraten-rhn.de/bildung-aber-sicher/
[5] https://www.piratenpartei.de/2021/04/08/wege-aus-der-corona-krise-umfrage-in-der-piratenpartei/
[6.1] https://www.piratenpartei.de/2020/04/03/piratenpartei-sieht-in-homeoffice-eine-chance-in-der-krise/
[6.2] https://wiki.piratenpartei.de/Grundlagen_Homeoffice
[7.1] https://www.piratenpartei.de/2020/04/23/corona-app-und-datenschutz-glaeserner-buerger-versus-eindaemmung-von-infektionsketten/
[7.2] https://www.piratenpartei-nrw.de/2021/09/16/gesundheitsaemter-in-nrw-faxen-bis-der-arzt-kommt/
[8.1] https://www.piratenpartei.de/2021/01/21/corona-krise-und-mentales-wohlbefinden/
[8.2] https://piraten-nds.de/2020/05/19/freiberufler-in-bildung-co-besondere-verlierer-der-corona-krise/
[8.3] https://www.piraten-rlp.de/2020/11/piratenpartei-schlaegt-fuer-solo-selbstaendige-sofortiges-grundeinkommen-statt-weiterer-einzelmassnahmen-vor/
[9.1] https://agpflege.uber.space/2021/08/piratenpartei-deutschland-lehnt-kostenpflichtige-coronatestung-ab/
[9.2] https://piraten-nds.de/2021/10/21/forderung-nach-kostenfreien-corona-tests/
[10.1] https://piraten-rhn.de/piraten-fordern-freigabe-von-pharma-patenten-auf-impfstoffe-fuer-weltweite-impfstoffproduktion/
[10.2] https://www.piratenpartei.de/2021/05/07/piraten-fordern-voruebergehende-freigabe-von-patenten-fuer-coronaimpfstoffe/
[11] https://www.piratenpartei.de/2021/05/12/long-covid-der-internationale-me-cfs-tag-fuer-mehr-forschung-und-aufmerksamkeit/
[12.1] https://landesportal.piratenpartei-sh.de/2021/11/piratensh-wollen-das-schulsystem-updaten/
[12.2] https://www.piratenpartei-nrw.de/2021/06/27/noten-waren-noch-nie-ungerechter-als-nach-15-monaten-pandemie/
[12.3] https://www.piraten-offenbach.de/2020/05/30/schuldigitalisierung-das-beispiel-kaethe-kollwitz-schule-in-offenbach/
[13.1] https://www.piratenpartei.de/digitales-lernen/
[13.2] https://www.piratenpartei-nrw.de/2021/10/05/lehrerin-derzeit-einer-der-gefaehrlichsten-berufe/
[13.3] https://www.piraten-rlp.de/2020/11/gesundheit-vor-praesenzpflicht-in-schulen/
[14] https://www.piratenpartei.de/2021/07/29/ueber-das-millionengeschaeft-der-europaeischen-altenpflegeindustrie/
[15.1] https://www.piratenpartei.de/2021/09/24/besseres-pflegesystem-fuer-patienten-und-pflegende/
[15.2] https://www.piratenpartei.de/2021/05/19/pflegereform-piraten-wollen-pflege-zu-hause-erhalten/
[16] https://www.wsj.com/articles/possible-early-covid-19-cases-in-china-emerge-during-who-mission-11612996225
[17] https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0300891620974755
[18] https://www.dw.com/de/corona-war-schon-im-september-2019-da-auch-in-europa/a-55626017
[19] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/coronavirus-erster-fall-deutschland-pressekonferenz-100.html
[20] https://www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/coronavirus-covid-19/news/news/2020/3/who-announces-covid-19-outbreak-a-pandemic
[21] https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/coronavirus-krisenstab-in-nrw-sucht-300-karnevalsbesucher-16652280.html
[22] https://www.piratenpartei.de/2020/03/18/piraten-zum-coronavirus-was-die-eu-tut-und-was-fehlt/
[23] https://www.bundesregierung.de/breg-de/leichte-sprache/22-maerz-2020-regeln-zum-corona-virus-1733310
[24] https://www.piratenpartei.de/2020/03/25/piraten-fordern-mehr-geld-fuer-pflegekraefte/
[25] https://www.privacytutor.de/blog/corona-app-piratenpartei-interview/
[26] https://www.piratenpartei.de/2020/07/02/piraten-fordern-bundesweit-einheitliche-coronatests-auf-freiwilliger-basis/
[27] https://www.piratenpartei.de/2020/08/18/schulschliessungen-schuloeffnungen-schulschliessungen/
[28] https://www.piratenpartei.de/2020/09/04/corona-als-ansporn-fuer-digitale-bildung/
[29] https://piraten-rhn.de/corona-erfordert-digitale-loesungen-und-aussetzung-der-praesenzpflicht-in-schulen/
[30] https://www.pharmazeutische-zeitung.de/nur-zwei-von-drei-wollen-sich-impfen-lassen-122734/
[31] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Haeufung-von-Nebenwirkungen-bei-AstraZeneca-Impfstoff,krisenstab468.html
[32] https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/bund-laender-beschluss-1841048
[33] https://www.gesetze-im-internet.de/ifsg/__28a.html
[34] https://covidactiongroup.net/statement-on-pandemic-response